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Konflikte im Unternehmen: Wohl oder Übel?

„Frau Beinlich, wir müssen mal einen Workshop machen: Zwischen der Arbeitsvorbereitung und dem Werkzeugbau klappt die Zusammenarbeit überhaupt nicht. Und – unter uns – wir denken auch über Herrn Müller nach: Der hat seine Abteilung einfach nicht im Griff, da herrscht nie Ruhe.“ Anfragen, die so oder so ähnlich wie diese klingen, landen immer wieder bei mir.

Dieser Geschäftsführer setzte sogar noch seufzend hinzu: „Dabei haben wir doch letztes Jahr der ganzen Führungsriege als Entwicklungsmaßnahme dieses Seminar ‚Konfliktfreies Führen’ verordnet. Aber der Herr Müller kriegt das nicht hin.“

 

Konflikte im Unternehmen: Machen Sie das weg!

Die Überzeugung, dass Konflikte im Unternehmen etwas Schlechtes sind, was möglichst schnell beseitigt werden muss, ist tief verankert. „Schuld“ an der Entstehung der Konflikte sind angeblich dann bestimmte Personen, also die „Streithähne“ beziehungsweise die Führungskraft, die ihren Laden nicht befrieden kann. Und logischerweise bekommt die Personalabteilung oder ein externer Berater dann den Auftrag, diesen Menschen beizubringen, wie sie ihre Konflikte schneller geklärt kriegen oder – noch besser – vermeiden. Denn ist der Konflikt weg, ist auch das Problem weg.

Ich gestehe: Dieses Spiel habe ich auch schon mitgespielt, habe Workshops durchmoderiert, die Parteien auf Einigkeit eingeschworen. Das tue ich heute nicht mehr.

 

Konflikte im Unternehmen: Moment mal!

Ich habe mir grundsätzlich Gedanken gemacht, welche Haltung ich persönlich gegenüber Konflikten habe. Ich glaube auch, dass das ein richtig wichtiger Job ist, sich dazu Gedanken zu machen – nicht nur für Berater, sondern für jede Führungskraft. Was beobachten Sie zum Beispiel an sich selbst: Wie gehen Sie damit um, wenn es knirscht in Ihrem Unternehmen?

Angenehm findet solche Auseinandersetzungen wahrscheinlich keiner – und ich kann das sehr gut nachvollziehen. Doch schlecht oder ein Schadensfall sind Konflikte deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil.

 

Konflikte im Unternehmen: Nie so wertvoll wie heute

In einem Unternehmen, in dem alles wie auf Schienen läuft, wo sich nie etwas ändert, gibt es keine Konflikte. Alles läuft reibungslos. Aber in welchem Unternehmen ist das denn so? Die Welt dreht sich immer schneller und auch Sie sind mit und in Ihrem Unternehmen sehr wahrscheinlich laufend mit veränderten Anforderungen konfrontiert. Sie müssen also etwas am Ablauf ändern – und neue und oft widersprüchliche Anforderungen kommen auf uns zu. Da passt nichts mehr wie vorher und nichts mehr unter einen Hut. Automatisch passen die Schienen nicht mehr. Es knirscht.

Allein dadurch, dass Sie Konflikte nicht mehr als bedauerlichen Zwischenfall, sondern als Normalität betrachten, bekommen Sie einen ganz anderen Blick auf die Situation. Und gehen anders damit um: Auf einmal ist das Knirschen nicht mehr so schlimm. Es muss auch nicht so schnell wie möglich beseitigt werden, nur damit wieder Ruhe einkehrt.

Sie können der Auseinandersetzung Raum geben, die Beteiligten um eine gemeinsame gute Lösung ringen lassen, die beide Positionen einbezieht und nicht entscheidet „wer Recht hat“.  Eines ist in aller Regel sicher: Es gibt nicht die EINE perfekte Lösung. Keine Konfliktseite ist im Besitz der absoluten Wahrheit. Das liegt im Unternehmen in der Natur der Sache.

 

Die Natur des Unternehmens

Ein Unternehmen, dass sind verschiedene Menschen, die zusammen kommen und verschiedene Aufgaben übernehmen. Da ist zum Beispiel der Vertrieb, der es sich zur Aufgabe macht, den Kunden schnell glücklich zu machen – das ist genau richtig. Auf der anderen Seite ist da die Produktion, die sagt: „Nix da, wir beschleunigen hier gar nichts. Wir müssen schauen, dass unsere Produkte keine Fehler haben.“ – das ist ebenfalls genau richtig.

Die unterschiedlichen Bereiche, Teams oder Abteilungen haben also unterschiedliche Aufträge. Das ist das Tolle an Unternehmen, dass so viele Aufträge unter einem Hut sind. Und das Tolle an dieser Einsicht ist: Auf einmal müssen Sie nicht alle anderen im Unternehmen für bekloppt halten, nur weil die nie Ihrer Meinung sind.

Sie erkennen auch, dass die Forderung „Die sollen sich jetzt mal einigen“ völlig widersinnig ist. „Die“ können und werden sich nie einigen, weil sie Aufträge haben, die sich zum Teil widersprechen. Was sie aber können: gemeinsam um eine möglichst gute Lösung ringen. Eine, die diese unterschiedlichen Aufträge vernünftig abbildet.

Meine Erfahrung ist: Dieses Einigen klappt viel besser, wenn sich die Beteiligten nicht gegenseitig für halsstarrig und verbohrt halten, sondern wenn sie verstehen, dass hier unterschiedliche Aufträge am Tisch sitzen, und dass der Konflikt in der Regel nicht daher kommt, dass die Menschen persönlich nicht miteinander können.

Das dreht Fragezeichen in Ausrufezeichen.

 

Gemeinsam feiern hilft nicht

Ein Unternehmen im Norden der Republik. Der Menschenschlag ist nicht eben für seine extrovertierte Art bekannt, aber in dieser Firma – so versichert mir der Geschäftsführer – herrscht eine ausgeprägte Feierkultur. „Die ziehen über die Weihnachtsmärkte, gehen zusammen zum Sport und sogar in Urlaub“, erzählt er mir kopfschüttelnd, „aber kaum sitzen sie in der Besprechung, fliegen die Fetzen.“

Die Ursache von Konflikten in Unternehmen ist ganz oft in der Struktur zu suchen. Und deshalb lösen die sich auch nicht auf, wenn Sie an den beteiligten Menschen arbeiten. Da ist keiner „schuld“. Das ist so angelegt.

Was hilft, ist die Botschaft an alle: Konflikte sind okay. Es ist einfach unser aller Job zu überlegen: Wie kriegen wir die Dinge zusammen?

 

Hinschauen statt wegmachen

Ich will nicht behaupten, dass jeder Konflikt gut und konstruktiv ist. Das ist genauso wenig richtig, wie die Behauptung, dass jeder Konflikt schlecht und zu vermeiden ist. Wichtig ist, dass Sie als Führungskraft hinschauen: Was für eine Auseinandersetzung haben Sie da vor sich? Ist das ein persönlicher Streit oder ein struktureller Konflikt?

Und – beobachten Sie, wie sie reagieren, ob Sie den Konflikt im Grunde als Störung empfinden oder ob sie Sie voller Überzeugung sagen können: „Danke für den Hinweis: Da sollten wir genauer hinschauen.“

Vorsicht: Gerade von den Mitarbeitern kommt schnell mal der Ruf nach der klaren Kante. Sie sind genervt und deshalb soll der Chef den Streit mit einem Machtwort beenden, eine Entscheidung treffen und die Zankenden darauf einschwören. Basta!

 

Vorsicht vor der klaren Kante

So ein Dazwischen-Hauen wirkt zwar kurzfristig erleichternd, ist aber kontraproduktiv. Auch der oberste Chef wird nicht die EINE Lösung aus dem Hut zaubern können. Wahrscheinlich ist seine Lösung weniger gut als die, auf die sich die Beteiligten am Ende doch verständigen. Halten Sie also lieber einmal den Ruf aus der Belegschaft aus, auch wenn Sie Prügel dafür einstecken. Es ist die bessere Entscheidung für Ihr Unternehmen.

Die Auseinandersetzung der verschiedenen Aufträge in Ihrem Unternehmen bringt die ganze Organisation voran – vorausgesetzt, Sie lassen sie zu. Reinhard Sprenger hat einmal gesagt: Das Kriterium für Germany’s Next Super-Boss ist sein Umgang mit strukturellen Konflikten. Da ist definitiv etwas dran ….