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Ihr Beipackzettel für Wertschätzung

Im aktuellen Management-Mainstream wird der Wertschätzung überragende Wirkung zugeschrieben: Sie macht müde Mitarbeiter munter, verantwortungsbewusst und kreativ – angeblich. Auf der anderen Seite ist Wertschätzung im Unternehmen ein süßes Gift mit Risiken und Nebenwirkungen.

Ich gebe Ihnen hier mal fünf Anwendungsempfehlungen an die Hand, wie Sie Wertschätzung in Ihrem Unternehmen risikoarm und zielführend einsetzen können.

 

# 1: Gezielt statt flächendeckend

Was Sie am besten ganz nach hinten in Ihren Wertschätzungs-Giftschrank stellen, sind undifferenziert und inflationär gebrauchtes Lob und flächendeckende Prämien. Die führen nur zu Desorientierung und Demotivation Ihrer Mitarbeiter. Und – sie führen zum Abfall von deren Leistung.

Und noch etwas züchten Sie sich damit heran: bodenlose Forderungen. Denn wenn Sie Lob verteilen, ohne dass die Mitarbeiter wissen, für welche Leistung überhaupt: Was erwarten diese erst von Ihnen, wenn Sie mal eine echte Extra-Meile einfordern?

Setzen Sie solche wahllose Wertschätzung deshalb, wenn überhaupt, maximal sparsam ein.

Gezielte Wertschätzung ist schon besser, doch auch da heißt es aufpassen.

 

# 2: Anerkannt statt gelobt

Ein Lob ist immer mit der Bewertung eines Menschen und einer Beziehung verknüpft. Deshalb ist Loben im Unternehmenskontext eine zweischneidige Sache.

Auf der einen Seite möchte sich jeder Mensch wahrgenommen und angenommen fühlen – auch Mitarbeiter. Eine Führungskraft fühlt sich daher mehr oder weniger unterschwellig aufgefordert zu loben.

Auf der anderen Seite verschiebt jedes Lob im Unternehmen den Fokus der Zusammenarbeit in eine problematische Richtung: weg vom eigentlichen Zweck „wir wollen hier gemeinsam etwas leisten“ hin zu „wir finden uns persönlich toll“. Lobt die Führungskraft gerne und häufig, konditioniert das die Mitarbeiter darauf, so zu arbeiten, dass sie dafür Lob von oben bekommen, statt den Fokus auf die besseren gemeinsamen Ergebnisse zu legen. Das ist ein entscheidender Unterschied.

So hart es klingt: Das Vorenthalten von Lob ist eine kulturelle Aufgabe von Führung.

Die Aufgabe ist nicht einfach, denn Führungskräfte sind auch nur Menschen und ein Lob geht so angenehm leicht über die Lippen. Was gegen den Lob-Automatismus hilft, ist das Bewusstsein, wie toxisch dessen Wirkung ist.

Ich hätte darüber hinaus eine gute Lob-Alternative für Sie und Ihre Führungskräfte: Lassen Sie die Mitarbeiter die Folgen ihrer Tätigkeit spüren. Diese erhalten die Anerkennung ihrer Leistung über das Ergebnis.

Diese Art Rückmeldung ist für die Mitarbeiter gut einzuordnen und unabhängig von jeder Beziehungsdynamik. Eine Wertschätzung über Bande, die nebenwirkungsfrei funktioniert!

Und falls es doch eine direkte Wertschätzung sein soll, dann bitte organisiert.

 

# 3: Organisiert statt individualisiert

Zugegeben: „organisierte Wertschätzung“ klingt unromantisch, schnöde und gefühlskalt. So gar nicht nach Kuscheln und heile Unternehmenswelt. Sie umgehen damit aber eine Menge Risiken.

Mit einer organisationalen Verankerung von Wertschätzung reduzieren Sie die Abhängigkeit der Teamleistung von den individuellen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften der Führungskraft. Und Sie schaffen Kontinuität und Verlässlichkeit für die Mitarbeiter.

Diese Verankerung kann beispielsweise so aussehen: Sie lassen Ihre Mitarbeiter regelmäßig konkret wissen, welchen sinnvollen Beitrag sie zum Ergebnis liefern können und wo sie stehen. Oder Sie sorgen über Personalprozesse dafür, dass Ihre Führungskräfte Mitarbeiter zuverlässig in ihrer Entwicklung fördern.

Und noch einen Vorteil hat diese organisierte Wertschätzung: Sie funktioniert wie ein Sensor. Reicht sie nicht aus, um den Laden am Laufen zu halten: Achtung, Alarm!

 

# 4: Alarmiert statt dauerschnulliert

Wenn zum Beispiel der Meister in der Produktion seinen Leuten regelmäßig am Samstag Kuchen bringt, weil er sonst fürchtet, dass sie nicht zur Wochenendschicht antreten, dann ist da was faul.

So ein Kuchen ist wie ein Dauerschnuller: Er dient der Beruhigung, verändert aber nichts. Und der Bedarf an Schnullern ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier ein strukturelles Problem vorliegt. So etwas wird durch die Bestechung höchstens zeitweise kaschiert.

Sicher ist es kurzfristig unaufwändiger und leichter, den samstäglichen Kuchen heranzukarren. Doch langfristig ist ein Unternehmen immer besser bedient, wenn es Probleme in der Organisation offen angeht statt sie notdürftig unter den Teppich der Wertschätzung zu kehren.

So, eine Anwendungsempfehlung habe ich noch für Sie.

 

# 5: Gelebt statt proklamiert

Fast jedes Unternehmen geht heute mit „Wertschätzung“ hausieren, selbst die schwarzen Schafe. Der Begriff ist dabei, ins Lächerliche zu kippen.

Lassen Sie das deshalb besser sein!

Das gilt erst recht, wenn Sie wissen, dass Ihre Organisation zum Beispiel bei den Arbeitsbedingungen noch ein paar To-Dos hat oder Sie mit einigen Ihrer Führungskräfte erst nochmal reden müssten. Wenn Sie nach außen Dinge versprechen, die nach innen nicht stattfinden, provoziert das bei Ihren eigenen Leuten Zynismus und vor Bewerbern Unglaubwürdigkeit.

Machen Sie lieber deutlich, dass bei Ihnen die Lohntüten und die Arbeitsbedingungen stimmen – das ist die nachhaltigste Form der Wertschätzung!

 

Wohl bekomm’s!

Mein Fazit zum Thema Wertschätzung im Unternehmen:

Können Sie machen, müssen Sie aber nicht. Doch wenn Sie sich entschließen, dann studieren Sie bitte vorab den Beipackzettel – oder fragen Sie Ihren Arzt oder Organisationsberater.