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Wo gutes Change Management wirklich drin ist

Ich habe lange überlegt, ob ich wirklich „Change Management“ über diesen Artikel schreiben sollte: Der Begriff wurde vor Jahren durch einen Hype genudelt, ähnlich wie der Begriff „agil“ aktuell.

Auf dem Höhepunkt des Change-Hypes passierte es oft genug, dass in den Paketen, auf denen „Change“ stand, leider nichts mit Wechsel und Veränderung drin war. Dazu begann irgendwann alle Welt über VUKA und dynamische Märkte zu sprechen. Da bei diesen die ständige Veränderung Teil der Definition ist, schien Change als explizites Ereignis passé – und die Begleitung dessen auch.

Inzwischen aber hat sich die Welt weiter gedreht. Es gibt immer noch Veränderungsereignisse, die ein Unternehmen erst einmal bewältigen muss – die Einführung eines ERP-Systems zum Beispiel. Also traue ich mich, den Begriff „Change“ wieder rauszuholen. Und zwar zusammen mit drei Prinzipien für dessen guten Managements.

Ich bin ja keine Freundin von Kochrezepten oder Bauanleitungen. Im Fall von Change-Management mache ich mal eine Ausnahme: Die Grundprinzipien sind zu wichtig. Sie sind leicht zu berücksichtigen – wenn, ja wenn man sie einmal verstanden hat.

Also los!

 

Prinzip 1: Beachten Sie den Stoffwechsel

Immer wenn Sie etwas in einer Organisation verändern, verändern Sie etwas in einem sozialen System. So ein System lässt sich mit einem Organismus vergleichen: Beide haben einen Stoffwechsel.

Dieser Stoffwechsel entscheidet darüber, wie der Organismus oder das System auf Veränderung reagiert. Und dieser Stoffwechsel ist in jedem Organismus/System anders. Deshalb können Unternehmen auf ein und dieselbe Veränderung ganz unterschiedliche Reaktionen zeigen, auch wenn sie aus der gleichen Branche sind, eine ähnliche Größe und eine ähnliche Struktur aufweisen. Nur ein Beispiel: Es macht einen großen Unterschied, ob Ihre Organisation zum ersten Mal mit einem Change-Prozess konfrontiert ist oder zum 14. Mal, ob die Mitarbeiter extrem gut verdrahtet, weil langjährig zugehörig sind, oder ob Sie viele neue Mitarbeiter haben.

Wenn Sie sich jetzt für Ihr Unternehmen eine Veränderung hin zu einem bestimmten neuen Zustand wünschen, ist es hochriskant, wenn Sie nur darauf schauen, was denn andere Firmen oder gar bei der hochgelobte Best-Practice-Betrieb getan hat, um diesen Zustand zu erreichen. Kopieren funktioniert nicht. Wahrscheinlich verstoffwechselt Ihr Unternehmen die Veränderung ganz anders.

Ich erzähle dazu immer gerne die Geschichte, wie ich versucht habe, mein Triathlon-Training zu optimieren: Ich habe mich strikt an die Trainingspläne einer bekannten Triathlon-Größe gehalten – und hatte noch nie so viel Muskelkater und so viel mit Verletzungen zu kämpfen wie in dieser Zeit. Die Pläne waren nicht schlecht – sie passten einfach nicht zu mir und meinem Stoffwechsel.

Deshalb lautet mein Prinzip 1 für ein gelungenes Change-Management: Machen Sie sich mit dem Stoffwechsel Ihres Unternehmens vertraut und finden Sie Veränderungsmaßnahmen, die nicht nur fachlich, sondern auch in dieser Hinsicht zu Ihnen passen.

 

Prinzip 2: Arbeiten Sie an harten UND weichen Faktoren

Das solide gewachsene Produktionsunternehmen hat einen über viele Jahre stabilen Mitarbeiterstamm. Das Wissen über viele Abläufe steckt in den Köpfen der Leute. Das birgt natürlich ein gewisses Risiko, also überlegt sich die Geschäftsführung: Wir wollen personenunabhängiger und effizienter werden.

In bester Aufräumabsicht werden also Rollenbeschreibungen erstellt und Prozesse dokumentiert. Was nicht beabsichtigt ist und dennoch passiert: Die Mitarbeiter stellen die Kooperation untereinander ein. Wo sie sich vorher gegenseitig ausgeholfen haben, heißt es jetzt „dafür bin ich nicht zuständig“.

Die Trennung von „harten“ und „weichen“ Faktoren ist komplett zwecklos. Versuchen Sie, nur das eine oder das andere zu bearbeiten, geht der Schuss nach hinten los. Sie haben viel mehr Vorteile, wenn Sie beide gemeinsam denken.

Oft genug zeigen sich Veränderungswünsche oder -notwendigkeiten auf der einen oder der anderen Seite. Den Zustand, auf den Sie zielen, erreichen Sie aber nur, wenn Sie auch die komplementäre Seite berücksichtigen: Die „weiche“ wird sich sowieso verändern, sobald Sie auf der „harten“ Seite etwas drehen – bloß vielleicht eben nicht in die Richtung, die Sie sich wünschen. Dann haben Sie möglicherweise eine Kulturveränderung eingeläutet, die Sie gar nicht wollten.

Vielleicht wollten Sie nur Prozesse leicht optimieren, oder etwas mehr Übersichtlichkeit in den Organigrammen schaffen. Vielleicht sollte mehr Transparenz herrschen, indem Sie abteilungsbezogenen Kennzahlen einführen. Das fühlt sich zwar kurzfristig prima an, aber auf einmal haben Sie eine Organisation, in der sich jeder nur noch absichert. Jede Abteilung schaut nur noch auf sich selbst und ihre Zahlen, plötzlich geht Zuständigkeit vor Hilfsbereitschaft – dabei wollten Sie doch nur wissen, was die einzelnen Einheiten da so treiben.

Haben Sie dagegen diese Interdependenzen auf den Schirm, werden Sie von solchen Ausschlägen nicht überrascht, sondern können diese aktiv angehen: Das macht dieses zweite Prinzip zum Erfolgsfaktor.

 

Prinzip 3: Change ist kein Projekt

Egal ob Sie Prozesse neu einführen oder eine Strategie oder was auch immer: Changes sind kein Projekt.

Was ein Projekt ausmacht, ist, dass es einen definierten Anfang und einen definierten Endzustand hat. Für den Weg dazwischen legen Sie Meilensteine fest, mit denen Sie Ihr Projekt strukturieren und steuerbar machen – klassisches Projektmanagement eben.

Bei „Change-Projekten“ können Sie weder den Endzustand noch exakte Meilensteine vorab definieren, denn Sie streben damit nicht einfach eine definierte Veränderung an. Sie wollen einen anderen Zustand in Ihrer Organisation erreichen – eine bessere Zusammenarbeit, eine größere Innovationskraft oder was auch immer. Der Change verändert also Ihre Organisation selbst. Und wie diese Veränderung genau aussieht, wie sie exakt verläuft, können Sie nicht voraussehen.

Deshalb ist der Change-Job auch noch nicht gemacht, wenn Sie ein schönes Konzept für den Prozess erarbeitet haben. Es bleibt Ihnen nicht erspart, immer wieder zu prüfen: Helfen uns die Veränderungen an den harten Faktoren, die wir in diesem Schritt vorgenommen haben, dabei, unseren gewünschten Zustand zu erreichen?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen, dass es an den Schnittstellen bei Ihnen im Unternehmen besser läuft. Sie nehmen also die Prozesse auf, treffen strukturelle Entscheidungen, erarbeiten neue Ablaufdarstellungen und befüllen damit Flowcharts: Prima, sieht aus wie eine funktionierende Organisation. Wenn Sie diese Veränderungen aber nicht zumindest mit den zuständigen Entscheidern erproben und auch nicht darüber nachdenken, was Sie für den veränderten Zustand noch brauchen, wird das mit der „funktionierenden Organisation“ nichts. Haben diese Entscheider ein ganz unterschiedliches Verständnis von Führung, kommen Sie in Ihrem Change nicht weiter, wenn Sie nicht auch dieses Thema noch aufgreifen.

Wenn Ihnen solche Themen erst unterwegs begegnen, heißt das nicht, dass Sie vorher einen Fehler gemacht haben. Zum Change gehört, dass Sie sich in Erkenntnisschleifen voran arbeiten. Es ist eben ein Prozess und kein Projekt. Sehen Sie deshalb für diese Suchbewegungen und Themenfunde auch Ressourcen vor, sonst bleiben Sie im Prozess stecken.

 

Change-Management reloaded

Ob Sie die notwendigen Veränderungen in Ihrem Unternehmen nun „Change“ nennen wollen oder nicht: Mit diesen drei Prinzipien gelingen sie Ihnen besser.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!